Aus der Geschichte Alsdorfs
|Von Rudolf Bast
Die heutige Stadt Alsdorf ist ein sehr komplexes Gebilde aus recht unterschiedlichen Bestandteilen. Einerseits lag ein Teil der heutigen Stadt auf dem Gebiet des Herzogtums Limburg (später vereint mit Brabant als Ergebnis der Schlacht von Worringen im Jahre 1288), ein anderer auf dem Gebiet des Herzogtums Jülich. Andererseits besteht Alsdorf aus alten Siedlungskernen, die in ihrer Geschichte ins Mittelalter zurückreichen, und aus Siedlungen, die entstanden sind, weil es in Alsdorf fast 150 Jahre lang (von 1848 bis 1993) Steinkohlenbergbau gab.
Die alten Siedlungskerne sind: Alsdorf, Bettendorf, Hoengen, Ofden, Schaufenberg, Warden und Zopp. Dazu kommen kleine Weiler und Einzelgehöfte: der Blumenrather Hof, Duffesheide, das Schloss Kellersberg, Ottenfeld und Schleibach. Bis auf Alsdorf und Zopp lagen alle anderen alten Ortsteile auf Jülicher Gebiet. Die „sprechenden“ Straßennamen „Grenzweg“ und „Scheidfuhr“ (Scheidefurche) markieren noch heute den Verlauf der alten territorialen Grenze.
Das namensgebende Alsdorf wird im Jahre 1191 erstmals urkundlich erwähnt. Es dürfte aber um einiges älter als 800 Jahre sein. Die Bewohner Alsdorfs und der anderen Dörfer, Weiler und Gehöfte lebten von der Landwirtschaft, wie es vor der Industriellen Revolution die Regel war. In Alsdorf ist außerdem Samtweberei, in Hoengen Leinenweberei nachgewiesen.
Trotz seiner geringen Größe hatte Alsdorf als Freie Herrlichkeit eine besondere Rechtsstellung. Der Herr von Alsdorf stellte seinen Besitz (also das alte Alsdorf und Zopp) dem Herzog von Limburg (später Brabant) zur Verfügung und erhielt es als sogenanntes Offenhauslehen zurück. Die Bindung an den Landesherrn war recht locker und mehr oder weniger formalrechtlicher Art. So blieben dem jeweiligen Herrn von Alsdorf Gerichtsbarkeit und Steuern uneingeschränkt erhalten. Vier adlige Familien als Besitzer von Burg und Dorf Alsdorf sind nachgewiesen, und zwar: von Lovenberg, von Hoemen, von Harff und von Blanckart.
Die Familie von Blanckart baute die Burg zu einer dreiflügeligen Schlossanlage um. So lautet der Eintrag in alten Karten gelegentlich „Slot Alstorp“. Zwei Flügel der Schlossanlage mit dem mächtigen Rundturm sind erhalten geblieben. Die Bezeichnung „Burg“ wird aber nach wie vor verwendet.
Während die Jülicher Ortsteile stets in diesem Herzogtum verblieben, hatte Alsdorf eine wechselvollere Geschichte. Mit Brabant/Limburg wurde es Teil Burgunds (1430) und fiel 1482 an die Habsburger. Bei der Habsburgischen Erbteilung (1555) fiel es an die Spanischen Habsburger als Teil der Spanischen Niederlande. Nach dem Spanischen Erbfolgekrieg ging es in den Besitz der Österreichischen Habsburger über (1714). Unter deren Herrschaft verblieb es bis zum Einmarsch der Franzosen. 1796 werden die Österreichischen Niederlande, 1801/02 das Jülicher Herzogtum der französischen Republik staatsrechtlich einverleibt. Seit diesem Zeitpunkt gehören alle Alsdorfer Ortsteile einem Staatsverband an. Aus dieser Zeit haben sich in der Alsdorfer Mundart zahlreiche Worte erhalten, die der französischen Sprache entnommen sind.
Die französische Herrschaft blieb Episode, die Zugehörigkeit zu einem Staat, einem Rechtsraum, einer Verwaltung aber nicht. Der Wiener Kongress änderte in unserem Raum die Staatsgrenzen. Alsdorf (zusammen mit Herzogenrath, Merkstein und Übach) fiel nun, wie das übrige Rheinland, an Preußen. Alsdorf und Hoengen waren preußische Landgemeinden im Kreis Aachen, Schaufenberg und Bettendorf gehörten als Teile der Gemeinde Siersdorf zum Kreis Jülich. Sitz des zuständigen Regierungspräsidiums (bis 1972) wurde Aachen.
Bei der Neuordnung Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Preußen zerschlagen. Seine westlichen Provinzen wurden zum Land Nordrhein-Westfalen, dem die heutige Stadt Alsdorf nach wie vor angehört.
Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts blieb die agrarische Struktur erhalten. Nur Alsdorf (etwa 1.200) und Hoengen (etwa 1.400) hatten mehr als 1.000 Einwohner. Mehr Menschen konnten auf landwirtschaftlicher Basis nicht ernährt werden. Insgesamt lebten auf dem Gebiet des heutigen Alsdorf knapp 4.000 Menschen.
Die beiden Ausschnitte aus der Tranchot-Karte von ca. 1805, die die französische Verwaltung anfertigen ließ, zeigen die damals vorhandenen Ortsteile der heutigen Stadt Alsdorf.
Heute ist die Einwohnerzahl mehr als zehn Mal so groß. Das ist Folge des Bergbaus, der um die Mitte des 19. Jahrhunderts nach Alsdorf kam. 1849 wird auf der Hoengener Grube Maria, 1853 auf der Alsdorfer Grube Anna die erste Steinkohle gefördert. Nun begann ein zuerst langsames, dann immer schnelleres Wachstum der Bevölkerung, das bis etwa 1960 anhielt und dann durch die sogenannte Kohlenkrise zum Stillstand kam.
Der Bergbau brauchte viele Arbeitskräfte. Zunächst kann er sie aus den Dörfern selbst gewinnen; denn es gibt einen hohen Geburtenüberschuss, und die Menschen, die die Landwirtschaft nicht aufnehmen konnte, finden nun vor Ort Arbeit und Brot. Bald aber reicht die Zahl nicht mehr, und es kommt zu Zuwanderung. Für diese Neubürger muss Wohnraum geschaffen werden, und diese Aufgabe wird von den Bergbautreibenden sehr ernst genommen. Denn um für den schweren und gefährlichen Beruf des Bergmanns Bewerber zu finden, muss man ihnen gute Bedingungen bieten. Dazu gehört eine angemessene Wohnung. So entstehen zwischen 1860 und 1960 zahlreiche größere und kleinere Siedlungen, in denen die Bergleute mit ihren Familien eine Heimat finden. Es sind dies: Begau, Blumenrath, die Broicher Siedlung, die Siedlung Busch, Kellersberg, Mariadorf, Neuweiler, die Siedlung Ofden, die Siedlung Ost und die Siedlung Zopp.
Die Einwohnerzahlen steigen immer weiter an. Immer mehr Flächen zwischen den alten Siedlungskernen werden bebaut. Außerdem entstehen Siedlungen auf Flächen, die ursprünglich weder zu Alsdorf noch zu Hoengen gehörten. Dabei hat Hoengen anfangs die dynamischere Entwicklung zu verzeichnen, wird aber im 20. Jahrhundert von Alsdorf überholt.
Wie gefährlich der Beruf des Bergmanns ist, zeigt das große Unglück vom 21. Oktober 1930 auf Grube Anna II. 270 Männer und 1 Frau kommen bei dieser Katastrophe ums Lebens. Sie ist die zweitgrößte im deutschen Bergbau überhaupt. Auf vier Friedhöfen Alsdorfs und etlichen der Umgebung ruhen die Toten.
Der große Zuzug von Menschen, die auf Anna Arbeit finden, führt in Alsdorf zu dem Wunsch, dass die umliegenden Orte und Siedlungen eingemeindet werden. Dieser Wunsch wird durch die kommunale Neugliederung vom 1. Oktober 1932 erfüllt. Kellersberg und Ofden (vorher Gemeinde Broich), Schaufenberg (vorher Gemeinde Siersdorf) und Neuweiler (vorher Gemeinde Baesweiler) werden eingemeindet. Die Einwohnerzahl wächst von 11.500 auf 19.711. Bei dieser Einwohnerzahl entsteht natürlich der Wunsch, zur Stadt erhoben zu werden. Dieser Wunsch wird erst viel später, am 26. Februar 1950, realisiert. Alsdorf hat inzwischen rund 22.000 Einwohner und die Großgemeinde Hoengen 12.000.
Der Zweite Weltkrieg hatte wenig Schäden in Alsdorf angerichtet. Nach dem Krieg war die Nachfrage nach dem Energieträger Steinkohle sehr groß. Das führte zur Steigerung der Förderung, aber auch zur Erhöhung der Belegschaft. Das gilt besonders für Anna, weniger für Maria, das am 30. September 1962 stillgelegt wird. Viele Bergleute gehen nun zur Grube Emil-Mayrisch in Siersdorf, so dass die Dynamik zunächst ungebrochen bleibt.
Aber allmählich macht sich die Kohlenkrise bemerkbar. Die Bevölkerungszahl stagniert und sinkt in manchen Jahren sogar. Alsdorf und Hoengen bemühen sich um die Ansiedlung neuer Gewerbe- und Industrieunternehmen, um der Bevölkerung bei abnehmender Beschäftigung auf den Gruben neue Arbeitsplätze zu bieten. Außerdem wächst die Zahl der Auspendler.
Das Land NRW betreibt zu Beginn der 1970er Jahre eine umfassende kommunale Neugliederung. Es sollten „leistungsfähige“ Einheiten geschaffen werden. Die neuen Kommunen sollten eine Infrastruktur besitzen, die allen neuzeitlichen Ansprüchen z.B. auf den Gebieten von Schule, Kultur, Gesundheitsfürsorge, Unterhaltung, Versorgung, Verwaltung usw. gerecht werden konnte. So entstand nach langwierigen Verhandlungen die neue Stadt Alsdorf aus der alten Stadt Alsdorf und der Gemeinde Hoengen sowie Bettendorf. Dazu kamen Gebietsteile aus den Gemeinden Bardenberg und Broichweiden, sowie unbewohnte Flächen aus den Gemeinden Kinzweiler und Oidtweiler. Die Einwohnerzahl betrug am 1. Januar 1972, dem Stichtag der Neuordnung, 48.996 Personen. Dazu steuerten Alsdorf über 31.000, Hoengen über 15.000 und die anderen Gebietsteile den Rest bei.
Bund, Land und Stadt bemühten und bemühen sich intensiv um den Strukturwandel, nach dem endgültigen Ende des Bergbaus 1992 mit besonderer Intensität. So konnte die Einwohnerzahl bei zunächst sinkender Tendenz doch stets über 46.000 Menschen gehalten werden. Dank neu erschlossener Baugebiete, u.a. auf dem ehemaligen Annagelände und dem Wohngebiet Müschekamp, steigt sie zur Zeit wieder an und beträgt ca. 48.000 Personen, darunter sind mehr als 5.500 ausländische Mitbürger.
Im Jahre 2014 wurde das „Energeticon“ eröffnet. Es dokumentiert die Geschichte der Energie und gibt einen Überblick über die Gewinnung fossiler Energie. Rund 150 Jahre lang wurde sie in Gestalt von Steinkohle in Alsdorf auf den Zechen Anna I und Anna II gewonnen. Dabei bleibt das „Energeticon“ aber nicht stehen. Im zweiten Teil befasst sich die Ausstellung mit den regenerativen Energien und stellt sie anschaulich dar. Das „Energeticon“ ist ein vorzüglicher außerschulischer Lernort. Ein Besuch des „Energeticons“ (siehe auch unter http://www.energeticon.de) lohnt sich jederzeit.