Die preußische Bürgermeisterei Alsdorf

Jour fixe des Alsdorfer Geschichtsvereins erinnert an die Errichtung vor 200 Jahren (24.4.1816)

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Ein blaues Tuch, das den großen Arbeitstisch des Kaminzimmers der Burg vollständig abdeckte, verhüllte die Dokumente, Akten und Urkunden, die Archivar Eberhard Malecha aus dem Bestand des Archivs des Alsdorfer Geschichtsvereins anläßlich des 200. Jahrestages der Erhebung Alsdorfs zur (preußischen) Bürgermeisterei zur Alsdorfer Geschichte vorstellen wollte.

In einem kurzen und präzisen Vortrag gab Eberhard Malecha einen Überblick über die Alsdorfer Geschichte seit der Errichtung der Bürgermeisterei im Jahr 1816 anhand der „Schätze“ aus dem Archiv. Alsdorf entwickelte sich ab dieser Zeit von einer Landgemeinde mit ca. 950 Einwohnern zu einer Industriestadt mit heute über 46.000 Einwohnern. Wichtige Schritte auf diesem Weg waren die Gründung der Zeche Anna, die Gründung einer höheren Schule und die Eingemeindung u.a. von Schaufenberg und Bettendorf. Er begann mit der französischen Revolution.

Der Einmarsch französischer Revolutionstruppen beendete im Dezember 1792 die Ära der Freien Grundherrschaft in Alsdorf, die seit 1650 von den Freiherrn von Blanckart geprägt war. Alsdorf erhielt den Status einer französischen Mairie (Bürgermeisterei). Die französische Besatzung endete erst im Jahr 1814 mit der Flucht der französischen Truppen vor der heranrückenden russischen Armee. Auf dem Wiener Kongreß (18.09.1814-09.06.1815) wurde die Neuordnung der ehemals durch die Franzosen besetzten Gebiete geregelt. Die Rheinprovinz sollte preußisch werden, was durch den Sieg bei Waterloo (18.6.1815) sichergestellt wurde.

Die Rheinlande wurden in zwei preußische Provinzen und sechs Regierungsbezirke eingeteilt, der Regierungsbezirk Aachen umfaßte die Landkreise Aachen und Monschau. Alsdorf wurde am 24. April 1816 mit dem Status einer Bürgermeisterei preußische Landgemeinde. Erster Bürgermeister war Peter Joseph Hennes mit einer Amtszeit von 30 Jahren, die nur von Theodor von Blanckart (1855-1881) und Richard Becker (1895-1933) übertroffen wurde.

Die ältesten Originaldokumente des Archivs aus den Anfängen der preußischen Bürgermeisterei sind die Heirats- und Sterbeurkunden ab dem Jahr 1815. Die Führung der Personenstands- und Sterberegister war nunmehr Aufgabe der preußischen Landgemeinde und ihres Bürgermeisters, der diese Amtsgeschäfte in seinem Haus in Alsdorf Zopp führte und dafür eine Mietentschädigung aus der Gemeindekasse erhielt.

Für das Jahr 1844 kann das Archiv das „Budget der Bürgermeisterei Alsdorf“ präsentieren. Ein zeithistorisches Dokument, das einen spannenden Einblick in die damalige Finanzverfassung der Bürgermeisterei Alsdorf gibt (Einwohnerangaben, Viehbestand, Nutzung der Gemeindewiese, Umlage Grundsteuern sowie Schulangelegenheiten/ Schulgelderhebungsliste).

Die drei vorhandenen und repräsentativ in Leder gebundenen „Protokollbücher und Sitzungsberichte des Gemeindesrats“ der  Jahre 1875-1900, 1901-1914, 1914-1918 sind die zentralen Dokumente für die Geschichte Alsdorfs in der preußischen Kaiserzeit.

Ergänzende Akten wie der Aktenband „Haupt-Akten: Verkehr auf öffentl. Straßen u. Plätzen“ präsentieren die Entwicklung von Verkehr und Infrastruktur für die Zeit von1840 bis 1916, die „ACTA-specialia betreffend Gemeinde Jagden und Frevel“ (Laufzeit 1840-1896) neben dem Jagdwesen ein zusammenhängendes Flurverzeichnis der Baronie von Blanckart in Alsdorf. Die „Hauptakten-Akten: Ansteckende Krankheiten“ gibt beispielsweise Auskunft über die Verbreitung von Typhus in Alsdorf.

Während der Band „Sonder-Akten: Gemeinde-Archiv“ Informationen zu Bevölkerung, Geburten, Eheschließungen und Sterbefälle, Gemeindeverordnete, Steuer-/Finanzangaben sowie Gemeindevermögen, Wasserwerk, Schulen und wirtschaftliche Verhältnisse, Armensachen/ Wohltätigkeit, Militärangelegenheiten/ Unglücke, Friedhof- u. Beerdigungsangelegenheiten/ Bauten für die Jahre 1911-1926“ enthält, reicht der Band „Allgemeine-Akten: Gemeinde-Verordnete“  Laufzeit:1865-1935 bis in die Zeit des Dritten Reiches und enthält Angaben zur Durchführung von Gemeindewahlen bis hin zu den Reichstagswahlen von 1933. Dazu findet sich ein aufschlußreiches Schreiben des damaligen preußischen Innenministers und später als Kriegsverbrecher verurteilten Nationalsozialisten Hermann Göring über die Durchführung der Wahlen von 1933. Archivar Malecha betonte die Wichtigkeit der Kenntnis solcher Dokumente in der Auseinandersetzung mit rechter Bauernfängerei.

Der Vortrag schloß mit der Erhebung Alsdorfs zur Stadt. Die diesbezügliche „Urkunde“ vom Januar 1950 war optisch eine Enttäuschung: Die für Alsdorf so wichtige und bedeutsame Verleihung der Stadtrechte durch den damaligen Innenminister Dr. Menzel erfolgte durch ein einfaches, mit Schreibmaschine geschriebenes, einseitiges DIN A4-Schreiben. Nachdem der Vortrag den „Appetit“ auf die Urkunden angeregt hatte, wurde das blaue Tuch gelüftet und die „Schätze“ zum Studium  freigegeben.

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Im Anschluß an den Vortrag nahmen die begeisterten Zuhörer gerne die Gelegenheit wahr, ausgiebig in dem sonst unter Verschluß gehaltenen Archivgut zu blättern und sich ein eigenes Bild jener Zeit zu machen, was bei den in altdeutscher Schrift verfaßten Dokumenten nicht ganz einfach war.

 

Literaturempfehlung zur Vertiefung:
Dr. Karl Boventer: Die Alsdorfer Bürgermeister der preußischen Zeit, Jahresblätter des Alsdorfer Geschichtsvereins 1990, erhältlich im Archiv des Alsdorfer Geschichtsvereins e.V.