Zwangsarbeit im III. Reich – allgemein und insbesondere im Bergbau unserer Region
|Vortrag von Rüdiger Vermöhlen vor dem Alsdorfer Geschichtsverein am 16.05.2024
Kompetenter Referent für schwierige Themen: Rüdiger Vermöhlen im Ratssaal der Stadt Alsdorf
Ein heikles Thema ist es, das Rüdiger Vermöhlen aufgearbeitet und bereits mehrfach präsentiert hat und zu dem der Alsdorfer Geschichtsverein und die Volkshochschule Nordkreis Aachen eingeladen haben. Mehrere Millionen Zwangsarbeiter kamen während des zweiten Weltkrieges in Deutschland zum Einsatz, zu einem Großteil unter menschenunwürdigen Bedingungen, was bei einer so großen Anzahl von Fremdarbeitern nicht verborgen geblieben sein kann und trotzdem bis heute kaum Beachtung findet. Ein schwieriges, ein heikles Thema für einen sachlichen und notwendigen Vortrag!

mit vielen Kesselschlachten führte zu einer hohen Zahl russischer Kriegsgefangener: Mehr als 5,3 Millionen sowjetische Soldaten gerieten in Kriegsgefangenschaft (unter Gewahrsam der Wehrmacht). Mehr als die Hälfte von ihnen wurde erschossen, verhungerte oder starb an den Folgen unmenschlicher Zwangsarbeit. Vermöhlen zeigte den Weg der Kriegsgefangenen auf: Von den Todesmärschen in die russischen Sammel- und Durchgangslager der Wehrmacht, die dortige Selektion und in der Regel sofortige Ermordung von Juden und Politoffizieren, der Weitertransport in offenen Güterwagen – auch im russischen Winter – in das „Reich“, in Lager, in denen sie in selbstgegrabenen Erdlöchern hausen mussten, bis sie selbst die Lagerbaracken errichtet hatten – ein nicht enden wollender Leidensweg.
Die Verpflegung war so knapp bemessen – wenn es überhaupt eine Verpflegung gab –, dass der langsame Hungertod bewusst und planmäßig in Kauf genommen wurde. Eines der vielen erschütternden Bilder des Vortrags zeigt ausgemergelte Personen hinter Stacheldraht vor kahlen, sterbenden Bäumen in der Sommersonne. Mit der Baumrinde, den Blättern und den Zweigen hatten die Kriegsgefangenen offensichtlich versucht, ihren Hunger zu stillen. Furchtbare Frucht einer menschenverachtenden Ideologie, die dem „bolschewistischen Soldaten jeden Anspruch auf Behandlung als ehrenhafter Soldat und nach dem Genfer Abkommen“ aberkannte. Mit drei von Vermöhlen im Detail vorgestellten, ausdrücklich als „verbrecherisch“ zu wertenden Befehlen (Kriegsgerichtsbarkeitserlass, Richtlinien für das Verhalten der Truppe in Russland, Kommissarbefehl) wurden sowjetische Soldaten und Zivilisten zu rechtlosem Freiwild erklärt.
Der Russlandfeldzug endete nicht wie geplant vor dem Wintereinbruch. Daher konnten die einberufenen deutschen Soldaten nicht an ihre Arbeitsplätze zurückkehren, es mussten sogar noch weitere Soldaten eingezogen werden. Die fehlenden Arbeitskräfte sollten durch Kriegsgefangene, insbesondere sowjetische Kriegsgefangene ersetzt werden.
So gelangten seit Ende 1941 sowjetische Kriegsgefangene über die Lager Senne und Arnoldsweiler (Stalag VI H) in das Wurmrevier. Auf der Grube Adolph und der Grube Anna II werden Zwangsarbeiterlager für die als „Arbeitskommando“ bezeichneten Gruppen von Kriegsgefangenen errichtet, ebenso auf der im Aufbau befindlichen Grube Emil-Mayrisch. Sie werden in Holzbaracken untergebracht, wie sie auch in den Konzentrationslagern errichtet werden. Die „Unterbringung“ ist räumlich extrem beengt, 1,6 qm pro Person – mehr Platz ist es nicht. Und zur Leistungssteigerung der kranken und ausgehungerten Gefangenen wurden zumindest in geringfügigem Umfang, aber bei weitem nicht in dem für die schwere Bergwerksarbeit ausreichendem Maße Nahrungsmitteln gestellt, z. B. das sogenannte „Russenbrot“, eine Mischung aus 50% Roggenbrot, 20% Zuckerrübenschitzel, 20% Zellmehl und 10% Laub.
Entkräftete und arbeitsunfähige Zwangsarbeiter wurden in die Stalags, dh nach Arnoldsweiler zurückverlegt, wer auf der Zeche oder vor Ort verstarb, wurde auf dem örtlichen Friedhof, „unauffällig und schlicht“, abgetrennt und abseits von den anderen Gräbern verscharrt. Und alles wurde bürokratisch verzeichnet: Erfassung in Personalkarteien (Personalkarte 1) sowie in den Anlege- und Abgangsbüchern der Zechen und Betriebe, in den Abrechnungen für den Einsatz von Zwangsarbeitern und dem Verzeichnis der Todesfälle auf den Standesämtern.
Hier liegt das Verdienst von Vermöhlens Arbeit: Er hat die erhaltenen Anlege- und Abgangsbücher der Zeche Adolph in mühevoller Kleinarbeit übertragen und die Namen und Daten der dort eingesetzten Zwangsarbeiter ermittelt, erfasst und ausgewertet. Die Auswertung erfolgte durch Abgleich mit anderen Datenbeständen, insbesondere dem Archiv des Projekts „OBD Memorial“ des Russischen Verteidgungsministeriums. So konnte Rüdiger Vermöhlen nicht nur eine Namensliste von 1.053 sowjetischen Zwangsarbeitern des Arbeitskommandos 133 erstellen, sondern insbesondere die Einzelschicksale der auf dem Friedhof „Lange Hecke“ in Merkstein begrabenen und anderer Zwangsarbeiter dokumentieren. Es wurden in dem Vortag u.a. vorgestellt:
- Alexej Nefedow – Gefangener 326/47025 im Arbeitskommando 133, 1909 geboren, Traktorführer, meldete sich freiwillig zur sowj. Armee, Einsatz als Panzerfahrer, geriet am 14.5.1942 bei Kertsch in Gefangenschaft, am 3. August als Übertagearbeiter auf Grube Adolph „angelegt“, starb er laut Totenschein des Standesamts Merkstein am 1. September 1942 an einem Herzinfarkt;
- oder Andrej Gnatjuk, 1918 geboren, geriet am 17. Mai 1942 ebenfalls bei Kertsch in Gefangenschaft, wurde als „Schlepper“ am 18.Juli 1942 in Merkstein erfasst. Nach einem Fluchtversuch am 3. September verstarb er am 8. September, Todesursache: Selbstmord durch Erhängen;
- als weitere Person Gregorij Donskoj, am 17. Mai 1942 bei Kertsch in Gefangenschaft, von Köln Ende 1943 auf Grube Maria I verlegt, aufgrund seines schlechten Gesundheitszustandes in die Sanitätsabteilung verlegt und als Dolmetscher tätig, nach Kriegsende von einem russischen Kriegsgericht zu 15 Jahren Zwangsarbeit in Ajac-Jaginsk (Polarkreis) verurteilt.
Seinem Bericht und den Einzelschicksalen stellte der Referent die Aussagen des damaligen Bergwerkdirektors der Grube Anna, Assessor Günther Venn, gegenüber, die er aus dessen Vortrag in den Jahresblättern 1984 des Alsdorfer Geschichtsverein zitierte („Unsere Fürsorge für die Gefangenen und die gute Organisation haben bewirkt, dass unsere Grubenleistung während des ganzen Krieges nicht abgefallen ist …“).
Und es hätte noch schlimmer kommen können, so zeigt Vermöhlen am Bespiel der Zeche Gottes Segen in Dortmund auf: Der südwestfälische NSdAP-Gauleiter Albert Hoffmann habe im März 1945 (!) befohlen, 7000 Kriegsgefangene und 23 000 Fremdarbeiter auf die untersten Sohlen der Gruben „Gottessegen“ und „Hansemann“ zu schaffen, um sie dort einzumauern und zu töten. Die Grubenleitung konnte dies mit dem Hinweis auf die tatsächliche Undurchführbarkeit und die Bedeutung des Erhalts der Zechen verhindern: „Gottessegen“ war die einzige Zeche, die im Ruhrgebiet noch Kohle für Wasserwerke, Kraftwerke und Krankenhäuser förderte (Dazu: Nazis wollten 30.000 Fremdarbeiter im Schacht einmauern (waz.de)).
Alles in allem ein guter, fundierter, sachlicher, umfassender und auch engagierter Vortrag zu einem wichtigen Thema von Rüdiger Vermöhlen, der unbedingt weiter zu empfehlen ist! Einem interessierten Lehrer aus dem Zuhörerkreis hat Rüdiger Vermöhlen spontan und gerne seinen Vortrag für dessen Schule zugesagt. Zur Vertiefung:
- Vermöhlens grundlegende Arbeit steht im Internet als PDF mit dem Titel „Das Schicksal sowjetischer Kriegsgefangener im Arbeitskommando 133“, 2. Auflage 2022, PDF-Fassung der Untersuchung über Zwangsarbeiter auf Grube Adolf von Rüdiger Vermöhlen zur Verfügung und kann abgerufen werden unter: Zwangs- oder „Fremd“-arbeiter im Wurmrevier – maasvoll.de;
- „Einsatzfähig für schwere Arbeit (Stufe I)“ heißt die 70 Seiten starke, bebilderte Printausgabe, die der Referent und Autor gerne zur Verfügung stellt (Schutzgebühr 5,00 Euro).
FJM